Ein Interquell zur NES-Trilogie nach über 25 Jahren … Ooookay!?
Mit der Double Dragon-Serie ist es ein stetiges Auf und Ab. 2012 bekam die Reihe mit „Double Dragon Neon“ frische Impulse spendiert. Ein Jahr später sorgte jedoch das miserable 3D-Remake „Double Dragon II: Wander of the Dragons“ für Verwirrung und verpasste der Reihe einen üblen Tiefschlag.
Fans der kultigen Brawler-Reihe mussten sich daraufhin erst einmal einige Jahre gedulden, ehe die Gebrüder Lee am 31.01.2017 erneut ihre Kampfkünste unter Beweis stellen durften. Der nächste Ableger war dann das diesem Test zugrunde liegende Double Dragon IV, welches vom japanischen Entwickler und Publisher Arc System Works (BlazBlue, Guilty Gear) kreiert wurde. Tatsächlich war die Master System-Version des allerersten Double Dragon-Teils eines von Arc System Works ersten Spielen. In gewisser Weise kehren die Japaner mit Double Dragon IV also wieder zu ihren Wurzeln zurück.
Merkwürdig ist jedoch, dass es sich bei Double Dragon IV um ein sogenanntes Interquell zur NES-Trilogie handelt. Die NES-Ableger von Double Dragon haben schon immer ihr eigenes Süppchen gekocht und sowohl bei Handlung als auch beim Gameplay Änderungen vorgenommen. Hierdurch unterscheiden sich die NES-Spiele drastisch von den Arcade-Originalen. Dementsprechend richtet sich Double Dragon IV auch in erster Linie an die Fans der NES-Versionen, was Freunde der Arcade-Originale oder jene Spieler, die lieber eine moderne Interpretation á la Neon gesehen hätten, derbe vor den Kopf stößt.
Bedenkt man, dass Double Dragon IV quasi mit 25 Jahren Verspätung auf den Markt kommt, stellt sich jetzt natürlich die Frage, ob das Brawler-Gameplay im altmodischen NES-Stil immer noch was taugt oder nicht.
Lee-Brüder vs. Okada-Schwestern
Nach einem Nuklearen Krieg sind große Teile der USA demoliert. Das Chaos der Nachkriegswehen machen sich diverse Gangs und Kriminelle zu nutze, um die Zivilbevölkerung zu tyrannisieren. Auch die beiden Martial Arts-Spezialisten Billy und Jimmy Lee mussten sich in der Vergangenheit mit skrupellosen Gangs auseinandersetzen. Doch jetzt versuchen die beiden Brüder den Spieß umzudrehen. Sie reisen kreuz und quer durch die USA, um Dojos für ihre Kampfkunst Sosetsuken zu eröffnen, was dabei helfen soll den Frieden zu wahren.
Als die Beiden gerade mit ihrem Auto zu ihrem Westküsten-Dojo unterwegs sind und kurz davor stehen die zerbombten Überreste von San Francisco zu erreichen, werden sie von der Renegades-Gang gerammt und müssen sich nun zu Fuß gegen die Schläger zur Wehr setzen. Es stellt sich heraus, dass der Renegades-Anführer Jake auf der Gehaltsliste von Casey und Shannon Okada steht. Die Okada-Schwestern sind ebenfalls Martial Arts-Experten und leiten ihren eigenen Großkonzern, unter dessen Knute ganz Japan steht. Die Mädels wollen ihre krummen Geschäfte in die USA ausweiten. Und da der gute Ruf von Billy und Jimmy Lee mittlerweile nicht mehr zu ignorieren ist, wollen sie eben diese beseitigen, um Widerstände im Keim zu ersticken. Da Jakes Mordanschläge scheiterten, lassen die Okadas Marian entführen, um die Lee-Brüder nach Japan zu locken. Dort haben Casey und Shannon Heimvorteil.
Die Story gehört nun nicht gerade zu den großen Stärken des Spiels. Die Motivation der Okada-Schwestern ist schwach, die abermalige Entführung Marians wirkt nur noch wie ein lächerliches Klischee und das kurz angebundene, antiklimaktische Ende scheint wie ein schlechter Scherz. Selbst im Vergleich zu den dünnen, teilweise bescheuerten Stories der Vorgänger wirkt die Handlung von Double Dragon IV wie lustlos hingeschmiert. Ironischerweise gibt man sich aber durchaus Mühe die Geschichte zu erzählen. Zwischen jeder Stage gibt es ne Dialogsequenz. Ab und zu gibt es auch mal eine Ingame-Sequenz zu betrachten. Und wenn man etwas im Titelbildschirm abwartet, gibt es sogar eine kurze Einführungssequenz, welche über das postapokalyptische Setting aufklärt. Für ein Prügelspiel wie dieses ist das durchaus ein willkommener Mehraufwand. Dieser täuscht jedoch nicht über die aufgesetzte Handlung hinweg.
Deutlich freundlicher als die NES-Vorgänger
Double Dragon IV bleibt den Spielprinzipien der NES-Vorgänger treu. Man bekommt einen Brawler, der sich sowohl aus Belt-Segmenten als auch aus Single-Plane-Abschnitten mit Jump-Passagen zusammensetzt. Letztere sind weitaus besser zu handhaben als gewohnt, da man endlich einen fest zugewiesenen Jump-Button erhält. Obendrein bietet das Spiel eine Button-Konfiguration, welche es auch erlaubt die speziellen Kampfmoves auf separate Buttons zu legen. Hierdurch erhält das Game eine überraschend gute Spielbarkeit, die man nach den relativ sperrigen NES-Vorgängern gar nicht erwartet hätte.
Double Dragon IV bietet drei Spielmodi: Story, 2P Duel und Tower. Den Tower-Modus muss man aber erst freischalten, indem man den Story-Mode durchzockt.
Der Story-Modus setzt sich aus 12 Stages zusammen, die man entweder allein oder im 2-Spieler-Koop in ca. 45 Minuten durchzocken kann. Zu Beginn kann man diesen Modus nur mit Billy oder Jimmy Lee angehen, aber durch Erfolge im Tower-Modus lassen sich auch alle anderen Charaktere für den Story-Mode freischalten. Story-Zwischensequenzen gibt es aber nur wenn man einen der beiden Hauptcharaktere spielt.
Es sollte niemanden überraschen, dass man hier dasselbe macht, wie in allen anderen Brawlern. Man läuft gemächlich und ohne Zeitlimit durch den Levelschlauch und vermöbelt jeden Gegner der sich in den Weg stellt. In Falle von Double Dragon IV muss man sich aber auch mit einigen fiesen Fallen-Passagen und Jump-Abschnitten auseinandersetzen, welche sehr schadhaft für den eigenen Heilbalken und die Extraleben sein können. Man hat drei Extraleben und fünf Credits zur Verfügung. Jeder Credit steht quasi für drei weitere Extraleben. Es gibt keine Möglichkeit weitere Extraleben und Credits hinzuzuverdienen. Und eine Heilung der Lebensenergie gibt es nur, wenn man eine neue Stage erreicht. Der Highscore-Zähler in Double Dragon IV ist also komplett nutzlos.
Mit etwas Übung sollten die fünf Credits jedoch ausreichen, um das Spiel zu knacken. Im Gegensatz zu den bockschweren NES-Vorgängern wurde der Schwierigkeitsgrad von Teil IV nämlich auf ein humanes Maß gedrosselt, was aber nicht bedeutet, dass das Game ein Spaziergang ist. Wem das Spiel aber dennoch zu knifflig ist, darf sich auf eine Levelanwahl freuen. Jede gewonnene Stage darf im Titelmenü angewählt werden (Start-Knopf verwenden). Hierdurch sollte es jedem möglich sein den Story-Mode durchzuspielen.
Beim 2P Duel-Modus handelt es sich um Versus-Kämpfe für zwei Spieler. Einzelspieler schauen hier also in die Röhre. Zu Beginn kann man für diesen Modus nur Billy und Jimmy Lee auswählen, aber jede gewonnene Stage im Story-Mode schaltet mehr Spielfiguren für diesen Modus frei (insgesamt 20). Da ich weder Lokal noch in der Spiel-internen Online-Suche Mitspieler auftreiben konnte, war es mir leider nicht möglich diesen Modus auszuprobieren.
Beim Tower-Mode handelt es sich um eine Art Ausdauer- oder Überlebensmodus. Hier kämpft man sich entweder alleine oder im 2-Spieler-Koop durch bis zu 100 Etagen eines Turms hindurch. Je weiter man kommt, desto mehr Gegner pro Etage muss man wegkloppen. Im Tower-Mode steht jedoch nur ein einziges Leben zur Verfügung, und Gegner welche mit Distanzwaffen angreifen, richten massiven Schaden an. Oftmals verursachen sie einen One-Hit-Kill. Daher ist es verdammt schwer in die höheren Etagen des Turms vorzudringen. Glücklicherweise muss man nur die ersten 40 Etagen meistern, um alle Charaktere für den Tower- und vor allem auch den Story-Mode freizuschalten. Und Letzteres ist dann auch das coolste Feature von Double Dragon IV. Es gibt satte 25 Spielfiguren! Und die meisten von denen bieten auch unterschiedliche Statistika und Kampfmoves, weswegen ein großer Anreiz geboten ist die Spielfiguren auch auszuprobieren. Obendrein bringt jeder Charakter ein eigenes Achievement, wenn man mit diesem den Story-Modus durchzockt. Hierdurch wird ein massiver Wiederspielwert erzeugt.
Der Reiz von Double Dragon IV erschließt sich also erst, wenn man tiefer gräbt. Ich finde es bemerkenswert, dass die Charaktere unterschiedliche Statistika in Form von Angriffskraft, Lebensenergie, Laufgeschwindigkeit und sogar Sprungkraft aufweisen. Und dann sind da noch die ganzen Kampftechniken. Die Lee-Brüder verfügen natürlich über ihre ikonischen Kampfmoves in Form von Cyclone-Kick und Ellenbogencheck. Neuerdings gibt es auch Headbutts. Und natürlich darf man auch wieder Waffen wie z.B. Wurfmesser, Felsbrocken oder Baseballschläger von Boden auflesen und verwenden.
Andere Charaktere verfügen übrigens nicht nur über eigene Kampftechniken sondern manchmal auch über fest zugewiesene Distanzwaffen mit Munitionsbegrenzung. Im Gegenzug dürfen derartige Spielfiguren aber keine Waffen vom Boden aufheben.
Also ja, Double Dragon IV hat überraschend viel zu bieten, sofern man denn genügend Zeit und Motivation mitbringt sich tiefer mit dem Spiel zu beschäftigen. Ein einzelner Spieldurchlauf reicht nämlich nicht aus, um die Liebe zum Spiel zu entfachen. Und dann nerven da noch billige Spielzeitstrecker wie das Türlabyrinth in Stage 10 oder der Durchgang in Stage 11, welcher einem zum Anfang des Levelabschnitts zurückführt. So etwas hätte man sich gerne verkneifen können. Ärgerlich ist auch, dass einige Kampfmoves nur aus der Hocke heraus durchgeführt werden können. Es gibt jedoch keinen separaten Duck-Button. Nur wenn die Spielfigur niedergeschlagen wurde und sich wieder aufrichtet oder von einem Sprung auf den Boden landet, nimmt sie die Hocke ein, was die Umsetzung entsprechender Moves sehr unpraktikabel macht. Glücklicherweise ist das Move-Repertoire jeodch groß genug, dass diese Macke kein großes Problem darstellt. Außerdem kommt man auch mit den regulären Standard-Angriffen ganz gut durch, sofern man sich gut positioniert und die Gegner-Typen gut einschätzt.
Grafik und Sound
Wenig überraschend orientiert sich das Spiel in grafischer Hinsicht an den NES-Vorgängern. Tatsächlich scheint es, als wurden die Charakter-Sprites direkt aus den NES-Spielen übernommen. Für die Umgebungen wurden hingegen neue Grafiken erstellt. Diese leisten einen soliden Job das NES-Feeling aufkommen zu lassen. Allerdings wird keine hundertprozentige Authentizität geboten, da Detailreichtum und Farbstufen dann doch ein gutes Stück hochwertiger ausfallen, als der NES im Stande gewesen wäre.
Stören tut dies jedoch nicht. Wer an Pseudo-8-bit-Grafik gefallen findet, wird jedenfalls gut bedient. Zumal die Ortschaften der 12 Stages ja auch einiges an Abwechslung zu bieten haben, und die Mugshots der Charaktere in den Dialogsequenzen nett anzuschauen sind.
Am ikonischen Soundtrack gibt es nichts auszusetzen. Die Tracks sind launig, unterstützen die Prügelaction und werden obendrein in zwei verschiedenen Variationen geboten. Man kann zwischen dem „Normalen“ OST und dessen „Retro“-Variante auswählen. Letztere orientiert sich natürlich an der Klangqualität der NES-Hardware.
Auch die Soundeffekte emulieren die Möglichkeiten von Nintendos 8-bit-Konsole, und bringen der Retro-Prügelei einen netten akustischen Mehrwert. Eine Sprachausgabe oder deutsche Textübersetzung wird allerdings nicht geboten.
Pro und Kontra:
Pro:
- sehr hoher Wiederspielwert durch zahlreiche Spieloptionen
- überraschend gute Spielbarkeit
- gewohnt gelungener Ohrwurm-OST in zwei Varianten
- überraschend fairer Schwierigkeitsgrad mit Levelanwahl
Kontra:
- bietet nichts wirklich Neues
- lustlose Story mit schwachem Ende
- der eigentliche Reiz entfaltet sich erst, wenn man die ganzen Charaktere freischaltet
- richtet sich an eine spezifische Nische (an Fans der NES-Serienteile)
Bietet wesentlich mehr, als man anfangs vermutet
Ich bin mit niedrigen Erwartungen an Double Dragon IV herangegangen, da sich das Spiel nun einmal in erster Linie an eine spezifische Nische der Double Dragon-Fanbase anbiedert - nämlich den Spielern der NES-Trilogie. Fans der Arcade-Originale oder der modernen Neon-Auskopplung dürften sich wohl etwas veralbert vorkommen. Doch wenn man sich die Zeit nimmt und das Spiel ausgiebiger zockt, findet man recht schnell ernsthaften Gefallen an der Herausforderung des Tower-Mode oder der Option den Story-Modus mit allen(!) Charakteren durchzocken zu können. Online-taugliche Multiplayer-Optionen für Versus-Kämpfe und Koop schaden freilich auch nicht. Darüber hinaus ist die Spielbarkeit dank einer konfigurierbaren Steuerung und einem fest zugewiesenen Jump-Button überraschend hochwertig. Eine gute Palette an Kampfmoves für jede Spielfigur rundet das Gesamtpaket ab und rechtfertigt die gute Wertung trotz der etwas ranzigen Retro-Masche.
Endwertung:
Punktvergabe von 1 (schlecht) bis 10 (spitze)
Grafik: 6
Sound: 8
Steuerung: 8
Umfang: 8,5
Story: 4,5
Spielspaß: 7,5
Gesamtwertung: 7,5