• MacVenture meets Game Boy?
    Bei The Shadow People handelt es sich um ein kleines, kostenloses Point & Click-Adventure welches im Stil der alten MacVentrue-Klassiker (Shadowgate, Uninvited) gehalten ist. In grafischer Hinsicht orientiert sich das Spiel hingegen an den monochromen Grünstufen des guten alten Game Boy.
    The Shadow People wurde auf Steam und itch.io veröffentlicht und stammt vom Indie Entwickler Roc Studios. Dahinter verbirgt sich ein einzelner Entwickler der sich Elias nennt und bereits eine Menge kleiner Spiele für Game Jams und dergleichen entworfen hat. Mit The Shadow People hat er jedoch erstmals am 27.10.2022 eines seiner Spiele auf Steam veröffentlicht. Ob es sich lohnt die Schattenleute näher kennenzulernen oder nicht, möchte ich euch im folgendem Test verraten.



    Die Konsequenzen von Übermüdung
    Man übernimmt die Rolle eines gestressten Studenten dessen Semester-Abschlussprüfung vor der Tür steht. Aufgrund dessen steht exzessives Lernen auf den Plan. Die Konsequenz hieraus zeigt sich jedoch in Form von Schlafproblemen.
    Zu Spielbeginn steht mal wieder die Autofahrt zur Uni an, wo man dann auch bis spät in die Nacht durchbüffelt. Während der nächtlichen Heimfahrt rächt sich jedoch die Lernwut, denn durch Übermüdung schafft es der Student nur noch im letzten Moment der dunklen Silhouette eines Kindes auf der Fahrbahn auszuweichen. Dummerweise zieht das Ausweichmanöver einen Crash nach sich und der Wagen wird geschrottet. Also geht es von nun per Pedes nach Hause. Doch irgendwas stimmt nicht. Die Straße endet plötzlich in einem finsteren Nirvana, wodurch der Student gezwungen ist die nähere Umgebung zu erkunden. Wieder erwarten entdeckt er in der finsteren Nacht ein scheinbar verlassenes Dorf, und das obwohl in dieser Region eigentlich nur eine Wiesenlandschaft sein sollte. Was geht eigentlich vor sich?

    Da hier ein altes Game Boy-Spiel emuliert werden soll, darf man freilich keine komplexe Handlung, tiefgehende Charaktere oder umfassende Schrifttexte erwarten. Man findet sich halt unverhofft in einer gruseligen Ortschaft wieder, und muss nun gucken wie man zurechtkommt. Je nach Gründlichkeit, bekommt man eines von fünf verschiedenen Enden zu Gesicht. Na eigentlich sind es nur vier Enden, da eines davon nur ein albernes Joke-Ending ist, welches man bereits zu Beginn erschließen kann. Aber die vier regulären Enden sind schon recht interessant, wobei man aber keine Komplexitätswunder erwarten sollte.



    Veraltet-klobiges Steuerungsinterface trifft auf einsteigerfreundlichen Schwierigkeitsgrad
    Wie bereits in der Einleitung klargestellt, handelt es sich bei The Shadow People um eine Hommage an alte MacVenture-Adventures. Das bedeutet natürlich auch, dass ca. zwei Drittel des Bildschirms von HUD-Anzeigen beansprucht werden. Die Umgebung wird im Fenster oben links dargestellt. Rechts daneben findet man eine Auflistung der gesammelten Gegenstände. Am unteren Bildschirmrand findet man dann noch eine Art Orientierungshilfe bzw. Reisefunktion, den Ortsnamen und eine Auflistung von neun Aktions-Verben. Letztere muss man anklicken, damit dem Cursor im eigentlichen Spielfeld eine entsprechende Funktion wie open (öffnen), take (nehmen) oder talk (ansprechen) zugewiesen wird. Heutzutage ist dieses Steuerungsschema natürlich hoffnungslos veraltet. Es ist einfach klobig zu handhaben und sorgt für unnötige Verkomplizierung. Rein technisch funktionieren die Verben aber immer noch solide, außerdem steigert dieses Schema den Schwierigkeitsgrad, da man halt auch selbst ausprobieren muss, was man z.B. schieben und ziehen kann, und nicht alles vorgekaut bekommt. Im Endeffekt ist es natürlich Geschmackssache, ob einem das MacVenture-HUD und das Verben-System gefällt oder nicht.

    Abgesehen davon fällt der Schwierigkeitsgrad von The Shadow People aber eher niedrig aus. Die Spielwelt ist überschaubar und es ist meistens offensichtlich, was man mit den Gegenständen anfangen soll. Pixelhunting gibt es kaum. Sammelbare Gegenstände kann man in den meisten Fällen leicht erkennen und die Hotspot-Trefferflächen im kleinen Spielausschnitt sind großzügig gelegt. Daher kann man auch die Abstinenz einer Hotspotanzeige leicht verzeihen.
    Kniffliger wird es, wenn man den Anspruch mitbringt möglichst alle der fünf Endings zu erleben. Die meisten Enden setzen natürlich das Lösen von optionalen Puzzles und das auffinden optionaler Gegenstände voraus. Da das Spiel in der Anfangsphase sehr linear aufgebaut ist, ist es sogar möglich Gegenstände zu übersehen und sich somit spätere Lösungswege zu verbauen. Da das Spiel mit ca. einer Stunde Spielzeit sehr kurz ist, und ohnehin auf mehrere Spieldurchläufe ausgelegt wurde ist dieser Umstand jedoch nicht so tragisch. Außerdem stellt The Shadow People neben einem Autosave auch fünf manuelle Speicherslots zur Verfügung.

    Schön finde ich, das trotz der Kürze des Spiels auf Abwechslungsreichtum wert gelegt wurde. So gibt es nicht nur Inventar- und Verben-Rätsel, sondern auch mal ein Code-Puzzle, ein Labyrinth oder Situationen in denen man sterben kann.
    Es ist auch lobenswert, dass man freigespielte Enden jederzeit in einem entsprechenden Optionsmenü-Unterpunkt anschauen darf.



    Grafik und Sound
    The Shadow People leistet einen guten Job die grafischen Vorbilder in Form von MacVenture und Game Boy-Classic zu emulieren. Wer mal ein MacVenture-Spiel wie Shadowgate gezockt hat, findet sich sofort mit der HUD-Struktur zurecht und grafisch bekommt man tatsächlich den Eindruck, als ob das Ding auf einem Game Boy lauffähig wäre. Da einige Endings etwas aufwändigere Animationen bieten und in seltenen Fällen auch mal mit roter Farbe oder Sprachausgabe gearbeitet wird, ist jedoch klar, das hier nicht mit authentischer Game Boy-Hardware programmiert wurde und das Spiel in dieser Form nicht auf der Original-Hardware lauffähig wäre.

    Der OST verbreitet überraschend gelungene Gruselatmosphäre in feinstem MIDI-Stil. Ich war über die Effektivität des Soundtracks positiv überrascht.
    Weitaus weniger erbaut war ich jedoch über den lästigen Fullscreen-Bug. Das Spiel startet im Fenster. Man kann im Optionsmenü natürlich auch einen Fullscreen anwählen, jedoch stürzt das Spiel bei mir im Fullscreen immer nach einigen Minuten Spielzeit ab. Im Fenster passiert dies jedoch nicht. Immerhin kann man verschiedene Fenstergrößen anwählen.
    Der Bildschirmtext steht nur in englischer Sprache zur Verfügung. Entsprechende Sprachkenntnisse sind also von Vorteil.


    Pro und Kontra:

    Pro:
    - ist kostenlos
    - recht niedriger Schwierigkeitsgrad, daher gut für Einsteiger geeignet
    - ist trotz der Retro-Präsentation überraschend atmosphärisch und gruselig

    Kontra:
    - ist sehr kurz (ca. 1-1,5 Stunden)
    - das Steuerungsinterface ist recht klobig
    - stürzt im Fullscreen ab (also lieber im Fenster spielen)


    Alte Schule zum Nulltarif
    The Shadow People ist ein nettes kleines Adventure im MacVenture-Stil und Game Boy Classic-Ästhetik. Im Gegensatz zu den Vorbildern ist der Schwierigkeitsgrad dieses kostenlosen Grusel-Abenteuers jedoch eher niedrig gehalten. Hierdurch ist das Spiel ein guter Einstieg für Neulinge ins Genre, auch wenn diese wenig Gefallen an der veralteten, klobigen Verben-Steuerung und dem massiven MacVenture-HUD haben werden.
    Aber einem geschenkten Gaul braucht man ja nicht zu tief ins Maul zu schauen. Dementsprechend sollte man sich auch nicht an der kurzen Spieldauer von ca. einer Stunde stören, zumal das Spiel ja auch einen hohen Wiederspielwert dank fünf verschiedener Enden bietet. Zum Nulltarif gibt es für Freunde von Retro-Grusel-Adventures wirklich keinen Grund das Spiel zu ignorieren.


    Endwertung:

    Punktvergabe von 1 (schlecht) bis 10 (spitze)

    Grafik: 6,5
    Sound: 8,5
    Steuerung: 5
    Umfang: 2,5
    Story: 6
    Spielspaß: 7
    Gesamtwertung: 7.0

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